Gedanken von Hartmut Rencker zur Zukunft des Fliegens:
Vortrag zur Montagsdemo am 27.1.2020

 

Guten Abend ihr lieben Leute,

zum Thema Zukunft des Fliegens und alternative Treibstoffe habe ich mich vor einem Jahr schon einmal ausgelassen. Alles was ich damals ausgesprochen habe, ist gültig geblieben. Das Thema ist derzeit so aktuell geworden, dass ich meine alten Gedanken aufgreife und an die gegenwärtige Situation anpasse. Es wird wieder etwas lang und anstrengend, vor allem aber interessant. Zur Vertiefung sei die Veröffentlichung in der BI-Hompage empfohlen.

Seit einiger Zeit wird von der Flugwirtschaft und von der Politik die Fata morgana Synthesekerosin propagiert. Offenbar ist Panik ausgebrochen wegen der Endlichkeit des Kerosins oder in Einsicht der Klimabelastung des Fliegens, denn sonst würde man sich nicht so verbissen an diesen Strohalm klammern. Alles wird besser. Bald müssen wir zur Säuberung der Luft fliegen bis dem Planeten die Luft ausgeht. Entweder sind die Entscheidungsträger so dumm oder so verblendet, dass sie einer Illusion erliegen oder sie wollen den tumben Bürger für dumm verkaufen, um auf der Titanic bis zum Untergang tanzen zu können.

Sich gegen die Schwerkraft durchzusetzen, kostet so viel Energie, dass manche Vögel das Fliegen aufgegeben haben oder nur Flattern, wenn es gar nicht mehr anders geht. Andere haben sich das energielose Segeln erschlossen. Nur der Mensch handelt gegen die Natur, hebt wie selbstverständlich mal 500 Tonnen 10 km hoch und bewahrt diese mit großem Energieeinsatz vor dem Herunterfallen. Abweichend von dem als Energiefresser bekannten Hubschrauber fällt als Nebenprodukt Fortbewegung an. Aber das macht die Sache nicht viel besser. Welche Energie erforderlich ist, zeigt das Beispiel eines Jumbojets, der auf 100 km in Reiseflughöhe 1400 l Kerosin oder ca. 200 l in der Minute zu einem Giftcocktail verbläst, pro Kilo Kerosin 3,16 kg CO2. Real dürfte der Verbrauch bis zur Reiseflughöhe, also auf den ersten 150 Kilometern bei ca. 5000 Litern liegen, davon alleine für die ersten zwei Kilometer Beschleunigung auf dem Rollweg schon 500 Liter. Und dieser Energiebedarf soll durch ein synthetisches Zauberwasser gedeckt werden und das angeblich klimaneutral. Wer sich das vormacht, glaubt auch an das Perpetuum mobile.

Bemerkenswert ist, dass man die Unmöglichkeit von wirtschaftlichem Fliegen mit Biotreibstoff aus niedergebrannten Regenwäldern oder aus Abfallstoffen wie Friteusenfett oder mit Strom oder reinem Wasserstoff einzusehen beginnt. Von Biokerosin ist man ziemlich abgekommen wegen der Konkurrenz Tank oder Teller. Fliegen mit Strom geht ohnehin nur mit Propeller, dazu kommen bei allem denkbaren Fortschritt immer schwer bleibende Batterien, die das Landegewicht unerträglich erhöhen. Also abwerfen wie Kerosin?

Weil es ohne hochenergetischen Treibstoff nicht gehen kann, sind alternative Treibstoffe zum Thema geworden, aber es gibt große oder unüberwindliche Probleme: Das fängt an mit der Lagerung im Flugzeug. Derzeit sind alle Flugzeuge so konstruiert, dass der Treibstoff zu großen Teilen in den Tragflächen mitgeführt wird. Die Tanks sind versiegelte Räume in der tragenden Struktur der Flügel. Sie sind weder isoliert noch druckfest. Das Mitführen von Gasen als Druck-, Flüssig- oder Tiefkühl-Flüssiggas ist damit in den aktuellen Flugzeugentwürfen nicht möglich. Drucktanks können wegen der hohen Belastung nur kugelförmig oder zylindrisch sein und würden wegen des Platzbedarfs und Eigengewichts Flugzeuge größer und schwerer machen, wodurch der Verbrauch wieder ansteigen würde. Wasserstoff als Flüssigkeit ist unrealistisch, weil dieser der Ultratiefkühlung auf unter minus 253°C bedarf.

Was verbleibt also als Ersatz für Kerosin wenn Batterien und Wasserstoff und Biomasse ausscheiden? Und was ist das Mischdestillat Kerosin überhaupt? Chemiker sprechen von Kohlenwasserstoffringen, also sehr komplizierte hochenergetische Riesenmoleküle mit ca. 2 Anteilen Wasserstoff und einem Anteil Kohlenstoff, beides Energieträger, durchaus vergleichbar mit unseren biologischen Energiespendern Zucker, Alkohol, Stärke. Kein Wunder, denn die Entstehung fossiler Energie ist das Ergebnis des Zerfalls und der Umwandlung von uralter Biomasse. Was die Natur per Fotosynthese schon immer elegant fertiggebracht hat, versucht der Mensch hochkompliziert nachzumachen. Es muss also die von Pflanzen genutzte Sonnenenergie auf andere Weise in das Zauberwasser eingebaut werden.

Die Formel lautet synthetisches Kerosin aus Licht, Luft und Sonne, vor allem unter Verwendung des Spurengases CO2. Man verspricht sich davon Klimaneutralität weil bei der Verbrennung in den Triebwerken nur so viel CO2 entsteht wie der Atmosphäre entnommen wird. Diese Rechnung geht aber nicht auf. Denn der Ausstoß in strahlungssensibler Flughöhe ist 3-4 x wirksamer als am Boden, auch weil es keine biologische Assimilation, keinen chemisch-mineralischen Abbau und keine bedenkliche ozeanische Aufnahme und gibt. So ist der Luftverkehr im Ergebnis mit ca. 10%, an den Klimagasen beteiligt, ungefähr so viel, wie alle Zementwerke weltweit, die nach den Kohlekraftwerken den zweitgrößten Klimasünder darstellen. Bald wird der Luftverkehr alles überholt haben. Völlig unverändert bleibt der Ausstoß von ebenfalls klimawirksamem Wasserdampf und Stickoxiden, denn für die Entstehung von Stickoxiden ist nicht der Energieträger entscheidend, sondern Druck, Hitze und Luftüberschuss bei der Verbrennung. Lediglich Ultrafeinstaub mag etwas weniger sein. Synthesekerosin ist keineswegs klimaneutral, wie man sich vormacht oder den Bürger weismachen will.

Wie soll die Kerosinsynthese funktionieren? Es genügt nicht, Wasserstoff und Kohlenstoff zu einem Zauberwasser zusammenzurühren. Vor allem muss die gesamte im Endprodukt steckende Energie zuerst einmal im Prozesswege eingebracht werden. Und alle Stufen der Umwandlung sind mit Energieverlusten verbunden, grob geschätzt das Doppelte des Energiegehalts des Endprodukts.

Die erste Stufe ist die elektrolytische Spaltung von flüssigem Wasser oder Wasserdampf in Wasserstoff und Sauerstoff. Das setzt voraus, dass der notwendige Strom regenerativ hergestellt und alle fossilen Kraftwerke abgeschaltet sind. Der so mit erheblichem Energieeinsatz gewonnene Wasserstoff muss dann mit noch größerem Aufwand mittels CO2 zu Methan karboniert und dann wie bei der Kohleverflüssigung zu Kriegszeiten weiterverarbeitet werden. Die Verarbeitungsstufen sind kompliziert und sehr energieaufwendig. Vor allem hat die als so selbstverständlich hingestellte Methanisierung ein Problem. Es bedarf entweder fossilen Kohlenstoffs, der die CO2-Bilanz kaputt machen würde oder konzentriertes Kohlendioxid in riesigen Mengen. Abtrennen aus Kohlekraftwerken scheidet aus, denn diese sollen ja abgeschaltet werden. Vielleicht Gärgase aus Winzerkellern und Brauereien? Das Spurengas CO2 aus der Luft abzutrennen, ist schwierig. In der Diskussion sind riesige Gebläseanlagen, die eines gigantischen Luftdurchsatzes bedürfen, um mit Hilfe von Filtermatten CO2 in einer chemischen Reaktion zu binden, also nicht als Gas. Der so gebundene Kohlenstoff muss dann wiederum mit großem Aufwand separiert werden.

In den letzten Wochen wurde in den Medien publiziert, dass Forscher am Karlsruher Institut für Technologie gerade große Anlagen entwickeln, die diesen Prozess ermöglichen sollen. In zehn Jahren könnte man in einer Anlage, die mit 38 Quadratkilometern die Fläche einer Kleinstadt bedeckt, täglich rund 300.000 Liter Kerosin herstellen. Das reicht noch nicht einmal aus um zwei A380 zu betanken. Alleine der Bedarf von Fraport mit täglich 15 Millionen Litern Kerosin würde nach dieser Rechnung 2000 Quadratkilometer mit Technik zugenagelter Fläche erfordern, also Fotovoltaik, Windmühlen, Hochtemperaturbrennspiegel, Ventilationsanlagen, Prozesstechnik. Die optimistischere Berechnung einer Schweizer Forschungseinrichtung rechnet beim System „sun to liquid“ mit einem geringeren Flächenbedarf, der für Fraport „nur“ 800 Quadratkilometer verschlingen würde.

Wohin mit solchen Riesenanlagen? Im eigenen Land ist hierzu kein Raum. Diese Erkenntnis scheint sich durchzusetzen, denn man ist sich einig, dass es ohne Auslagern in die Sahara oder andere Sonnengebiete nicht gehen kann, wenn das so einfach wäre. Schon vor Jahren gab es die Euphorie, Europa mit Wüstenstrom zu versorgen. Diese Illusion hat man sehr leise aufgegeben. Denn Fotovoltaik würde schnell von Wanderdünen begraben und das zur Elektrolyse benötigte Wasser müsste über Fernleitungen vom Meer herbeigepumpt werden. Alles sehr schwierig und vor allem teuer. Ganz unberücksichtigt bleibt der Energiebedarf, um solche Riesenanlagen zu bauen.

Alle derzeit als Utopie gehandelten Überlegungen erinnern an Singen im dunklen Keller. Zu viele Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein, als dass deren Eintritt wirklich realistisch sein kann. Es steht schlecht um die billige Hypermobilität in der Luft, auf dem Boden und auf dem Wasser. Auch die Utopie einer Vakuum-Rohrpost als superschnelles Verkehrsmittel ist nicht mehr als eine experimentelle Utopie. Die Rohrpost ist noch teurer und aufwendiger als die aus wirtschaftlichen Gründen gescheiterte Magnetschwebebahn.

Die Zukunft des Fliegens ist keineswegs rosig. Eher feiert der Lastesel Zeppelin eine Wiederauferstehung, denn dieser braucht nur wenig Energie für den Vortrieb und kann dank seiner großen Oberfläche möglicherweise außerhalb polarer Bereiche per Fotovoltaik autark sein, allerdings langsam und wetterempfindlich. Auch sollte es heute möglich sein, durch sichere Kammerung das billige und superleichte Auftriebsgas Wasserstoff einzusetzen anstatt des sehr teuren und weniger effizienten Heliums. Wasserstoff ist nicht gefährlicher als Kerosin. Wasserstoff kann außer bei einer gezielten Knallgasmischung nicht explodieren sondern nur brennen. Das gescheiterte Experiment Cargolifter war zu früh dran. Vielleicht behält Kaiser Wilhelm recht, der vor 100 Jahren meinte, dass die Zukunft den Pferden gehöre. Aber 8 Milliarden Pferde?

Auf jeden Fall wird Synthesetreibstoff eine teure Angelegenheit. Nicht nur Fliegen wird teuerer, auch das gesamte Leben und damit wird der Raum, sein Geld zu verfliegen, schon mittelfristig stagnieren oder sinken. Und der Energiebedarf zur Generierung von Synthesetreibstoff steht dann in Konkurrenz zu anderen Verbrauchern wie der Elektromobilität. Vor diesem Hintergrund ist der Ausbauwahn von Fraport mitsamt der Milliarden-Subventionierung aus Steuergeldern ein wirtschaftlicher Kriminalfall. Der volkseigene Betrieb Fraport-AG mit seinen Mehrheitsaktionären Hessen und Stadt Frankfurt sowie der Bund sind aufgefordert, dem Wachstumswahn auf Kosten der Region, der Menschen und des Steuerzahlers ein Ende zu setzen. Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende, denn Hochmut kommt vor dem Fall. Vielleicht hat der Fall schon angefangen. Trotz Rekordzahlen schwächelt Fraport seit November. Ohne Billigflieger wäre das ein Einbruch.

Hartmut Rencker, Mainz

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