Vortrag von Hartmut Rencker zur Montagsdemo am 30.10.2017

Bei Fraport stirbt man früher  -  Gedanken zur Mobilität

 
Guten Abend ihr lieben Leute,

die Lage war noch nie so ernst, wusste schon Altkanzler Adenauer. Jetzt aber ernsthaft. Mein Vortrag wird wieder reichlich lang, mehr anstrengend als mitreißend, auf jeden Fall interessant.


Das Gezerre um die ach so schlimmen Dieselstinker nimmt kein Ende. Ich stehe ganz gewiss nicht in Verdacht, den Autoverkehr gesundbeten zu wollen, aber was sich hier abspielt, ist Unverstand. Denn die von der Politik verordnete Sparsamkeit bei hoher Leistung geht nur um den Preis der Hinnahme von Schadstoffen wie Ultrafeinstaub und Stickoxiden. Und Naturgesetze lassen sich von Vorschriften nicht aushebeln. Flugzeugtriebwerke sind übrigens weitaus schlimmer als Dieselmotore. Der Luftverkehr im Nahbereich von Fraport produziert mehr Schadstoffe als der gesamte Bodenverkehr von Rhein-Main, lediglich besser verstreut. Mehr dazu später.

Etwas gibt zu denken, nämlich die Panik, ganz schnell vom Verbrennungsmotor wegkommen zu wollen. Es geht nicht nur um den in Verruf gekommenen Dieselmotor. Weshalb also die Eile? Sind die noch verbliebenen Erdölvorkommen knapper als das zugegeben wird oder geht wegen der rasant fortschreitenden Klimaerwärmung die Angst um? Die Häufung von Unwettern in Deutschland und die verheerenden Wirbelstürme nicht nur in der Karibik geben zu denken.

Was sind die Alternativen für den Verkehr am Boden und in der Luft? Die elektromobile Zukunft kann nur spartanisch sein. Tonnenschwere Stadtpanzer über die Autobahn zu jagen, erfordert Energiemengen, die kein bezahlbarer und transportierbarer Akku leisten kann. VW denkt gerade über einen Golf von genügender Reichweite nach mit einem immerhin 500 kg schweren Batteriesatz. Und woher soll all der viele Strom kommen? Wer sich vormacht, teuren ÖKO-Strom zu tanken, darf nicht vergessen, dass dann für Großverbraucher wie Fraport nur noch billiger Braunkohle- oder Atomstrom übrig bleibt. Flächendeckendes Schnellladen wird eine Illusion bleiben, denn kein Netz hält Ladeströme von 300 - 500 Ampere aus, wenn die Anlieger einer ganzen Wohnstraße gleichzeitig Energie saugen wollen. Das wäre der tägliche Blackout. Wir müssen unser gesamtes Mobilitätsverhalten hinterfragen und nicht nur das.

Noch schlimmer wird es den Luftverkehr treffen. Kerosin ist ein hochenergetischer Treibstoff, der dem optimalen Wasserstoff nahe kommt. Als Ersatz kommt nur der spezifisch schwerere Alkohol in Frage oder Kerosin aus Rapsöl oder Kohleverflüssigung als Notnagel. Woher soll der Biotreibstoff kommen? Aus niedergebrannten Regenwäldern? Der eigentlich ideale und dazu noch superleichte Wasserstoff kann keine Lösung sein, denn dieser ist unter realen Bedingungen nicht transportierbar. Im Gegensatz zu den Rohölabkömmlingen Propan und Butan kann Wasserstoff mit keinem Druck des Universums verflüssigt werden. Wasserstoff bleibt bei normalen Temperaturen immer ein Gas, das schwere Hochdruckflaschen erfordert und das mit nur geringer Kapazität. Oder Verflüssigung durch energieintensive Ultratiefkühlung auf unter minus 253°C wie in der Raketentechnik. Und elektrisch Fliegen wird am Gewicht und der geringen Kapazität der Batterietechnik scheitern. Allenfalls sind Kurzstrecken mit Propellerantrieb denkbar, aber dann ist der Bodenverkehr billiger und schneller. Dass elektromobiles Fliegen nicht funktionieren kann, bewies erst vor kurzer Zeit die erfolgreiche oder in Wahrheit erfolglose Erdumrundung mit einem fragilen Papiervogel, der weitaus länger auf günstige Sonne und gnädige Winde warten musste als er mit Radfahrertempo in der Luft war. Auch wenn ich verlacht werde, ich erwarte eine Wiedergeburt des nur Vortrieb benötigenden Zeppelins als behäbigen und wetterempfindlichen Lastesel, dank seiner großen Oberfläche evtl. sogar mit Nutzung von Sonneneinstrahlung. Das gescheiterte Experiment Cargolifter war einfach zu früh dran.

Im Mai habe ich Sie /euch schon einmal naturwissenschaftlich strapaziert und ich musste von meinem zu üppig gewordenen Konzept einiges weglassen. Das will ich jetzt gedrängt nachholen. Wer in der Schule aufmerksam war, weiß, dass der Luftstickstoff ein träger Geselle ist, der nur unter extremen Bedingungen sich in eine Verbindung zwingen lässt, eigentlich nur bei hohen Verbrennungstemperaturen und hohem Druck, also vor allem in Dieselmotoren und weitaus mehr in Flugzeugtriebwerken.

Dieselmotoren und Flugzeugtriebwerken ist gemeinsam, dass aus technischen Gründen mehr Luft durchgejagt wird als zur Verbrennung notwendig ist. Und genau das führt zu dem Reaktionsprodukt Stickoxide. Und was bei Flugzeugtriebwerken hinten rauskommt, geht keinen etwas an. Nämlich nicht nur Ultrafeinstaub, sondern jede Menge Stickoxide. Aber das ist sakrosankt.

Die als Nebenprodukt des Verbrennungsvorgangs entstehenden Stickoxide zerfallen von selbst und heil ist die Welt. Bei der Selbstauflösung gibt aber ein paar Nebenerscheinungen. Im feuchten Milieu der Lunge werden die eingeatmeten Stickoxide zur Säure, also saures Lüngerl. Einen halbwegs gesunden Menschen wirft das selbst bei hoher Belastung nicht gleich um, bedenklich bleibt es dennoch, auch wegen der beim Zerfall entstehenden Freien Radikale. Alles kommt schon immer in der Natur vor, sogar im Zellstoffwechsel. Die Natur hat Abwehrmechanismen erfunden, aber nicht für die menschgemachte Menge.

Die bei der Verbrennung naturgesetzlich entstehenden Stickoxide sind unausweichlich. Allerdings lässt sich deren natürlicher Zerfall technisch beschleunigen, also noch im Auspuffstrang. Das kostet einigen Aufwand und allerhand Harnstoff als Reaktionshelfer. Und genau hier hat die Autoindustrie gespart, auch zum Kostenvorteil des Nutzers. Während bei Bodenfahrzeugen die Verbrennungsgase nachbehandelt werden können, ist das bei Flugzeugturbinen undenkbar, denn der unbehinderte Austritt der Verbrennungsgase ist elementar für den Vortrieb. Allenfalls könnte man bei Kolbenmotoren der Sorte Tante Ju eine Nachbehandlung versuchen. Aber wir wollen ja schnell und billig.

Und damit sind wir endlich bei Fraport. Jeden Tag werden alleine bei Fraport 15 Millionen Liter Treibstoff getankt. Davon werden im Nahbereich ungestraft fast 1 Million Liter Kerosin zu einem sich absenkenden Giftcocktail aus Stickoxiden und lungen- und gefäßgängigem Ultrafeinstaub verbrannt, der auch die Blut-Gehirnschranke durchdringt. Das ist mehr als der gesamte Bodenverkehr in Rhein-Main hervorbringt. Offiziell gibt es keinen Feinstaub durch Luftverkehr, denn es werden nach der Rechtslage die Partikel in molekularer Größe mit einem viel zu groben Netz nicht gefangen und das Nichts wird dann gewogen und nicht gezählt. Formaljuristisch gibt es also nichts, so wahr die Erde eine Scheibe ist. Angeblich gibt es am Boden nichts, also fast Luftkurort. Ich frage mich, was Triebwerke beim Start verblasen und was Wirbelschleppen auf den Boden peitschen. Im Wirbel ist zwangsläufig alles drin. Genau dies hat auch das Umweltamt der Stadt Frankfurt schon 2013 veröffentlicht, wonach der Luftverkehr im Stadtgebiet von Frankfurt bei den Emissionen einen Anteil 42% hatte. 
Link: http://www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/ultrafeinstaub/umweltamt-frankfurt.JPG

Die lokale Quantifizierung scheint aber schwierig zu sein. Denn gerade jetzt erst, hat die Stadt Frankfurt unter Verantwortung unserer Mitstreiterin Dr. Ursula Fechter andere Zahlen veröffentlicht, die aber keineswegs beruhigend sind.     Link:
http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=8653&_ffmpar[_id_inhalt]=32681362&_ffmpar[_id_eltern]=2855  

Bereits seit Jahren sei bekannt, so die Frankfurter Veröffentlichung, dass auch Flugzeuge bei Starts als auch bei Landungen sowie bei Bewegungen auf dem Boden die gefährlichen Stickoxide emittieren. 37 Prozent der im gesamten Flugverkehr verursachten NOx Emission wird alleine über der Rhein-Main-Region ausgestoßen. Dies veröffentlichte das Umweltbundesamt in seiner „Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen 2015“.

Alle Zahlen sind mit Vorsicht zu interpretieren. Keinesfalls darf man verbrauchte Treibstoffmengen gegenüberstellen. Denn aufgrund höherer Drucke und höherer Temperaturen emittieren Flugzeugtriebwerke ein Vielfaches an Schadstoffen, die ein Diesel abbläst.

 

  • die Bildungsrate von Stickoxiden nimmt mit Temperatur und Druck exponentiell zu,

  • die Verbrennungstemperatur im Dieselmotor liegt zwischen 600 und 900°C
    in einem Triebwerk liegt die Temperatur bei 1200°C
    ,

  • der Luftüberschuss liegt beim Dieselmotor bei Faktor 1,3 bis 6,
    beim Kerosin-Triebwerk je nach Außentemperatur bis Faktor 20

Im Flugbetrieb entstehen pro Tonne Treibstoff ca. 10 kg Stickoxide, beim Diesel Euro 6 liegen die manipulierten Grenzwerte bei ca. 500 g pro Tonne. Die Realwerte vielleicht bei 1-2 Kilo pro Tonne. Ganz alte Diesel produzieren im Motor weitaus weniger NOx, weil dort Luftüberschuss, Druck und Temperatur deutlich niedriger sind als in modernen aufgeladenen Motoren, allerdings ohne Nachbehandlung.

Ein Triebwerk stößt also aufgrund der Verbrennungsbedingungen bis zum 40-fachen an Stickoxiden aus. Und bei einem Verbrauch von täglich über 1 Million Liter Kerosin nur im Nahbereich von Fraport also ca. 10 – 15 Tonnen Stickoxide, ein gigantisches Volumen. Eine Nachbehandlung ist undenkbar, weil der Abgasstrahl elementar für den Vortrieb ist. Flugzeuge sind also mit Abstand die größten Dreckschleudern. Dies ist auch die Erkenntnis des Bundesumweltamtes, dessen Auswertung der Start-Lande-Belastung (Nahbereich) meine Überlegungen voll bestätigt. Und das ist je nach Örtlichkeit oft der dickste Posten der Gesamtbelastung. Auch wenn der Dreck nicht nur am Boden oder bodennah entsteht, senkt sich dieser selbst bei Überfughöhen von 1000 m mit etwas Zeitverzögerung ab, wie die Ultrafeinstaubmessungen unserer Mitstreitet Joachim Alt und Wolfgang Schwämmlein bewiesen haben.
Link: http://www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/ultrafeinstaub/ultrafeinstaub-mainz.pdf
Ganz aktuell gibt es Messungen in Raunheim mit Spitzen bis zum Hundertfachen der zulässigen Werte.
Link: http://www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/ultrafeinstaub/messwerte-raunheim.htm

Bemerkenswert ist auch, dass Stickoxide gerade in Reinluftgebieten langsamer zerfallen. So erklärt es sich, dass in den Alpen oder an der See die Konzentration oft erstaunlich hoch ist. Es ist also nicht nur ein regionales Problem. Ordentlich Dreck gibt es natürlich auf dem Vorfeld, wie man auch riechen kann. Im Rollbetrieb entspricht eine Sekunde etwa 60 Kilometer Autofahrt eines Euro-6-Dieselfahrzeugs mit Filter. Vor ca. zwei oder drei Jahren hat die Mitarbeiter-Vereinigung der Fraport-Bodenverkehrsdienste bei der Betriebsratswahl die Belastung vor allem des Bodenpersonals thematisiert mit dem Slogan. „Bei Fraport stirbt man früher“. Solche Unangepasstheit hat natürlich zu einem Aufbegehren bei Fraport geführt. Die Mitarbeitervertretung wurde im Vorfeld der Wahl derart behindert, dass es dieser gelungen ist, eine Wiederholung der Wahl gerichtlich durchzusetzen und das mit eindrucksvollem Ergebnis.
Link: http://www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/20160307-FR-Betriebsrat-Vorfeld.pdf

Von einer Vorfeld-Mitarbeiterin, weiß ich, wie wenig Fraport an seinem Menschenmaterial gelegen ist. Hierzu ein Zitat:

"Ich weiß seit Anbeginn meiner Tätigkeit, dass die Luft am Flughafen am schmutzigsten ist. Was soll ich dazu sagen. Es ist der größte Arbeitgeber in Rhein/Main. Wir wissen das alle.... Auf dem Vorfeld gibt es nur Gehörschutz....Bei uns ist die Luft explosiv.... " Zitat Ende!

Aufsichtsbehörden wie Gewerbeaufsichtsamt oder die gesetzliche Unfallversicherung tauchen vor meinen Vorhaltungen ab. Reichlich befremdlich ist, dass Fraport nicht der Fach- Berufsgenossenschaft angehört, sondern als mehrheitlich volkseigener Betrieb bei der staatlichen Unfallkasse Hessen versichert ist. Das lässt schon ein Geschmäckle aufkommen. Und so verwundert es nicht, dass der Leiter des Technischen Aufsichtsdienstes der staatlichen Unfallkasse Hessen, Dipl.-Ing. Oliver Heise, sich besonders erkenntnisresistent zeigt und ein Befassen mit der speziellen Problematik verweigert mit der Rechtfertigung, in den Unfallverhütungsvorschriften sei alles geregelt. Eben nicht. Da geht es durchaus um Werkstattluft aber nicht um die Luft, die Leute im Bereich laufender Triebwerke auf dem Rollfeld inhalieren dürfen. Wo Gehörschutz Pflicht ist, gibt es laufende Triebwerke mit entsprechender Abgasbelastung und das wird einfach geleugnet.
Link-1: http://www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/ultrafeinstaub/ultrafeinstaub-mainz.pdf
Link-2: http://www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/ultrafeinstaub/Unfallkasse.JPG

Auch wenn ich das schon einmal vorgetragen habe, noch ein paar Gedanken zum Klimawandel, den gerade der Flugverkehr mit seinen Emissionen in großer Höhe beschleunigt und damit zur menschgemachten Apokalypse in zunehmendem Ausmaß beiträgt. Eine Umweltstudie für das Europäische Parlament vom November 2015 kommt zu dem dramatischen Ergebnis, dass der weltweite Anteil des Luftverkehrs am Klimawandel im Jahre 2050 22% betragen wird.
Link: http://www.lerchenberg-info.de/fluglaerm/20151201-faz-klimakonferenz.JPG

Das Klima ist eine Diva und ist schon ohne menschliches Zutun reichlich launisch, ohne dass ich jetzt über astrophysikalische Ursachen spekulieren will. Als Hauptursache für Schwankungen kommen vor allem große Vulkanausbrüchen in Frage, die sowohl Staub in große Höhen schleudern als auch Unmengen des Klimagases CO2 freisetzen und genau das tut die mobile Menschheit jetzt in großem Stil.

Wie verheerend sich CO2-Ausgasungen auswirken können, zeigte das große Perm-Trias-Artensterben vor 250 Millionen Jahren. Damals gab es eine vulkanische Phase mit nur so brodelnden Magmaseen (https://de.wikipedia.org/wiki/Perm-Trias-Grenze#Vulkanismus). Der CO2-Anstieg führte primär zu einem Temperaturanstieg von ca. 5°. Das reichte für eine Kettenreaktion aus mit dem nahezu totalen Absterben von Fauna und Flora. Die Natur hat dann mit den verblieben Lebenskeimen wieder von vorne angefangen, die CO2-Überflutung per Fotosynthese langsam abgebaut und als Sedimente dauerhaft der Atmosphäre entzogen. Und diesen Säuberungsmechanismus drehen wir gedankenlos wieder um durch Verbrennen der Sedimente in Gestalt von Kohle, Öl und Gas. Wenn wir so weitermachen wie bisher, kriegen wir das Kollabieren der Temperaturstabilität wieder hin.
Link: http://www.flughafen-bi.de/Archiv/2017/2017_03_06_VCD-Flyer_Klima.pdf
Und neben unserer allgemeinen Hypermobilität ist der Luftverkehr zunehmend daran beteiligt, dazu noch in sensibler Höhe.

Dennoch will ich nicht pessimistisch sein. Noch nie ist ein Tanz um ein goldenes Kalb gut ausgegangen. Fraport ist von panischer Wachstumsgier geradezu besoffen. Ich sehe Parallelen zum Hahn und zum Nürburgring-Desaster. Der Flugverkehr in Mitteleuropa hat die Wachstumsgrenze erreicht oder überschritten. Bei immer mehr Menschen beginnt ein Umdenken.

Lasst uns weiter ein Stachel im Hintern des Löwen sein und für eine Deckelung der Flugbewegungen eintreten – und damit für weniger Fluglärm, weniger Schadstoffe, weniger Gesundheitsgefährdung, weniger Klimaerwärmung und weniger Schädigung unserer Lebensgrundlagen.

Hartmut Rencker, Mainz
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